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WiYou . Wirtschaft und Du . Ausgabe 5­2015
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Viktor ist da.
Olga, mein Auto, meine Handtasche auf Rädern. Wir sind ein eingespieltes Team. Kennen uns seit inzwischen drei
Jahren, verzeihen uns Startschwierigkeiten am Morgen und quietschende Reifen am Berg. Wir mögen uns. Und
wir mögen Viktor. Viktor ist unser „Automensch“, seine Werkstatt „the place to heal Olga“. Egal was ist, Viktor
kriegt es wieder hin, wieder zu, wieder dran. Aber eine Sache, lieber Viktor, die mögen wir an dir nicht: Wenn du
zu spontan für uns Zeit hast, morgens zur Frühstückspausenzeit eine Nachricht schickst, in der steht, dass du Olga
gleich abholst. So wie jetzt, um ihr die Winterschuhe anzuziehen. Nicht, dass wir diesen Hol­ und Bringservice nicht
wahnsinnig schätzen würden – aber so plötzlich?! Kannst du uns nicht vielleicht ein kleines bisschen mehr Vorlauf
geben? Warum?
Weil Olga eben auch (m)eine Handtasche ist und meine Handtaschen sind alle eher groß und eher voll. Olga ist
noch größer, also noch voller, sehr bis zu voll. Also schnell raus auf den Parkplatz zur Bestandsaufnahme des Corsa
Delicti: Cds, Handyladekabel, Kaugummis, Taschentücher, Labellos, Handcreme, Sonnencreme, Haarspray, Bürste,
Kamm, Mütze, Handschuhe, Fensterreiniger, Küchenpapier, Handfeger, Eiskratzer, Parkscheibe, Wackelblume,
Plüschwürfel, Decke – gehört alles zur Grundausstattung und ist kein Problem. Aber so ein bisschen Stolz hab ich
ja auch, und eben leider auch noch ein bisschen mehr Kram, der nun nicht unbedingt mit in die Werkstatt muss.
Bis auf den kaputten Toaster im Kofferraum vielleicht, aber das ist eine andere Geschichte. Der stört auch weniger
als die paar Ersatzschuhpaare unter, hinter und neben den Sitzen. Und ja, ich weiß, das ist nicht gut, falls die mal
in den Fahrerinnenfußraum rutschen, das sagt Viktor jedes Mal. Ein Grund mehr, warum ich sie jetzt lieber nicht
im Auto hätte. Genauso wie die ganzen Tupperschüsseln und Tupperschüsseldeckel, abgewaschen zwar, jedoch
verräterisch, was meine Hauptnahrungsquelle angeht: Mama. Dabei kann ich mir eigenes Essen leisten, es zur Not
nämlich mit der im gesamten Auto verteilten Pfandflaschensammlung bezahlen. Ist ja letztlich auch nur eine fi­
nanzielle Rücklage, ohne Zinsen zwar, aber dafür jederzeit verfügbar. Anders als die Flaschen, die kein Automat
will, weshalb sie immer wieder zurück ins Auto wandern und dort nutzlos vor sich hin klappern.
Und dann sind da noch der Bikini im Strandtuch eingewickelt, der seit dem Sommer zwar nicht mehr gebraucht
wurde, aber immer noch mitfährt, die Rosakuschelsocken für den plötzlichen Wintereinbruch, die immer vorrätigen
Damenhygieneartikel, die aufgrund ihrer Beschaffenheit gar nicht anders können, als überall rumzukullern, dazu
tausend Milliarden Einkaufszettel, falls man irgendwas mal umtauschen muss. Sonnenbrillen zum Beispiel, die
gibt’s hier in hell, nicht so hell, dunkel, ganz dunkel, zu dunkel und zerkratzt. Dann der Beutel mit der Yogamatte,
der mit den Laufschuhen, der mit den alten Schuhen, das Altpapier, weil´s geregnet hat, als ich damit zum Container
wollte, die Regenschirme, falls es das mal wieder tut, mehrere, falls mal einer kaputt geht oder nicht zur Jacke
passt.
Da meine „normale“ Handtasche eben auch eine meiner und daher schon sehr voll ist, ist die im Moment auch
keine Hilfe. Da passt nun wirklich nichts mehr rein. Ins Büro stellen möchte ich eigentlich auch nix. Also versuche
ich mich ein bisschen im Kram­Tetris und schiebe alles hin und her und zusammen. So verschwindet zwar nichts,
sieht aber irgendwie dank Großes­ganz­oben­drauf­Prinzip wenigstens nach weniger aus. Pappbecher, größere
Laubblätter, klebrige Bonbons und angeschmolzene Schokolade wandern in den Müll, Kekskrümel und kleine
Steinchen unter die Fußmatte. Muss reichen, Viktor ist da.
Schussi, eure Mamu
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